Die Sache mit der (Bio-)Baumwolle - und wieso Bio nicht nur ein Trend ist


Kleider machen Leute - so lautete schon die uralte Novelle von Gottfried Keller, die ich damals in der Schule lesen durfte. Aber auch heute sagt unsere Kleidung noch einiges über den Träger aus, bewusst oder unbewusst. Vielleicht sogar noch viel mehr als früher - weil wir eine Wahl haben.
Ich war neulich in der Bahn und konnte nicht überhören, wie sich zwei Jugendliche über den "albernen Bio-Trend" lustig machten. "Total bescheuert, die Leute, die gleich das Dreifache ausgeben, nur weil Bio auf der Gurke drauf steht." - "Ja, es gibt ja jetzt sogar Bio-Klamotten, sogar bei H&M. Spinnen alle, die Ökos." Ich fühle mich durch solche Kommentare nicht persönlich angegriffen, aber doch etwas traurig berührt, weil die Aufklärung einfach fehlt und so wenige Menschen über die Bedeutung von Bio oder den Produktionsbedingungen ihrer Kleidung Bescheid wissen. Daher möchte ich ein ganz bedeutendes Material heute etwas genauer anschauen: die Baumwolle.



Das sogenannte weiße Gold fand schon vor tausenden Jahren seine Bestimmung als Kleidung für den Menschen, aber es gibt wenige Stoffe, die so extensiv verwendet werden wie Baumwolle heutzutage. Generell ist sie auch ein tolles Material: widerstandsfähig, feuchtigkeitsabsorbierend, nachwachsend, angenehm auf der Haut. Daher mag ich persönlich auch Baumwolle sehr viel lieber als künstliche Materialien wie z.B. Polyester, das ja auf der endlichen Ressource Erdöl basiert. Wusstest du z.B., dass ca. 60% der heutigen Kleidungsstücke auf dem deutschen Markt aus Chemiefasern, allen voran Polyester, bestehen?1 Das Problem ist nicht nur der Ausgangsrohstoff, sondern auch die Tatsache, dass beim Waschen von synthetischen Materialien das Abwasser mit winzigen Plastikpartikeln verschmutzt wird, welche nur bedingt in Kläranlagen rausgefiltert werden können und so in unseren Ozeanen landen.2
Trotzdem ist auch Baumwolle nicht gleich Baumwolle und nicht gleich das Optimum: Die Baumwollindustrie hat sich in den letzten Jahrhunderten drastisch entwickelt und die Mengen des begehrten Rohstoffs sind regelrecht explodiert. In 2014/15 wurden knapp 26 Millionen Tonnen (!) geerntet, von denen etwa die Hälfte aus China und Indien kommt3. Insgesamt werden 92% der indischen Baumwollfelder mit konventioneller Baumwolle bewirtschaftet und das heißt leider auch Pestizide, Chemikalien und Gentech-Veränderungen.



Pro T-Shirt aus konventioneller Baumwolle werden ganze 150g Gift (man stelle sich vor: anderthalb Tafeln Schokolade) in Form von Chemikalien verwendet.1 Zwar wurde die Baumwollpflanze schon längst gentechnisch verändert, um gegen Insekten und Parasiten immun zu sein, aber ist gegen einige davon schon wieder resistent geworden; ein ähnliches Symptom wie in der Massentierhaltung bei übermäßiger Antibiotika-Vergabe. Den indischen Baumwollbauern nützt das Ganze also wenig: Die Preise der Baumwollsamen von Monsanto und Co. steigen und treiben in die Abhängigkeit, mehr Chemie zur Bekämpfung von Parasiten wird benötigt und die Gefahr der Spritz- und Düngemittel ist wenig bekannt in einem Entwicklungsland, in dem ein Viertel der Bevölkerung nicht lesen und schreiben kann. Häufig werden die Felder ohne jegliche Schutzkleidung und mit nackten Armen und Beinen mit dem Gift behandelt – die Folgen reichen von Schwindel und Hautveränderungen über Veränderungen im Erbgut bis hin zu Missgeburten, Behinderungen oder weiteren schwerwiegenden Schäden.4
Als Ausweg aus dem Teufelskreis sehen viele Bauern nur einen Schluck von dem tödlichen Insektizid-Cocktail: laut den Vereinten Nationen brachte sich in Indien zwischen 1992 und 2005 alle 32 Minuten ein Farmer um.5  What the fuck, alle 32 Minuten!? Wenn man solche Zahlen liest, kann man eigentlich nur den Kopf schütteln und sich fragen, wie all das möglich ist? Letzten Endes ist das nur eine der fatalen Auswirkungen der modernen Fast Fashion Industrie: die westliche Welt verlangt viel, schnell, und das billig.

Ein Weg, diesen ganzen Wahnsinn bewusst nicht zu unterstützen, ist auf Bio-Baumwolle zu achten. Kontrollierte Bio-Baumwolle bedeutet, dass keine Gentechnik und keine gefährlichen Pestizide verwenden werden dürfen. Oft wird bei zertifizierten Bio-Unternehmen auch auf soziale Kriterien geachtet: ein Siegel, das du unterstützen kannst, ist der sogenannte Global-Organic-Textile-Standard (kurz GOTS; ökologische und soziale Mindestanforderungen über die gesamte Lieferkette). Und generell immer hilfreich: weniger konsumieren, mehr second hand, mehr qualitativ hochwertiges.



In diesem Sinne stelle ich euch heute nichts nagelneues vor, sondern nur eine andere Variante des bereits schon mal gezeigten Fair Fashion Shirts von JAN 'N JUNE aus Bio-Baumwolle, hergestellt in Europa. Die Hose ist aus einem Secondhand Laden in Hamburg, die Uhr und die Sonnenbrille nachhaltig hergestellt von Kerbholz. Schuhe: alt, aber ähnliche in fair+vegan+bio: Ethletics
 



Wenn mehr Leute sich über die absurden Auswirkungen der konventionellen Modeindustrie informieren und sich bewusst dagegen entscheiden, ist ein Wandel möglich. Es wird zwar sicher nicht von heute auf morgen gehen. Aber es geht. Und ich freue mich, dass du diesen Artikel schon mal gelesen hast - denn Kleider machen Leute und du weißt jetzt schon einiges über die Bedingungen dahinter - und was DU tun kannst. :)

Ich wünsche euch eine schöne Sommerwoche! 
Alles Liebe,

eure Corinna



Quellen:
1 RESET.org
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