Warum eigentlich Fair Fashion

Kleid + Cardigan secondhand über Kleiderkreisel, Rucksack: Vintage Kilo Store
Jahrelang habe ich das Shoppen geliebt und gefeiert. Zwar schon immer auch gerne Second Hand, aber eben auch viel von den üblichen Verdächtigen der Fast Fashion Industry, sei es Zara, H&M, Mango oder ähnliches. Das, was man sich als Student eben so leisten kann. Als ich angefangen habe zu arbeiten, ist es mir eigentlich noch leichter gefallen: Ohne groß nachzudenken, gönnt man sich mal ein schönes Shirt, leistet sich hier eine neue Hose, hier einen neuen Schal. Wir lieben ja die Abwechslung. 
Aber irgendwann, als die ersten Primark Läden in meiner Nähe aufmachten und die Kritik größer wurde, fing auch ich an, mir Gedanken zu machen. Wer erinnert sich noch an die eingenähten Hilferuf-Etiketten der Primark Kleidungsstücke "forced to work exhausting hours" etc - ob jetzt PR-Gag oder tatsächlich von einigen mutigen bzw. verzweifelten Näherinnen umgesetzt, weiß ich gar nicht. Aber ziemlich eindeutig war die Message trotzdem und ich beschloss, keinesfalls mehr etwas von Primark zu kaufen. Bei H&M hab ich innerlich ein Auge zugedrückt, denn so ganz genau weiß man es ja nicht, wie die Arbeitsbedingungen wirklich sind... dachte ich mir. Als dann die Textilfabrik in Bangladesch einstürzte, in der Tausende Arbeiterinnen starben, wurde der nagende Zweifel doch wieder größer. Schließlich sind ja doch die meisten unserer Kleidunsgstücke made in Bangladesh, India oder China. Und das ganz ehrlich bei H&M genau wie auch bei Hugo Boss oder eben Primark.
Der Preis eines Kleidungsstücks ist eben nicht unbedingt ausschlaggebend über dessen Herkunft oder Produktionsbedingungen. Aber wenn es SO günstig ist, geht es schon nicht mehr anders. Wenn ich heute die unzähligen braunen Primark Tüten sehe, die Jugendliche oder ganze Familien stolz durch die Fußgängerzone Stuttgarts tragen, bin ich immer wieder aufs Neue bestürzt, wie schnell so ein Unglück wie der Einsturz der Textilfabrik vergessen wird und wie achtlos Kleidungsstücke konsumiert werden. Ein Shirt kostet ja teilweise kaum mehr als ein Becher Kaffee von Starbucks.

Der finale Denkanstoß kam dann aber, als ich auf der Bloggerkonferenz The Hive einen Vortrag von Jana von dem Blog Plique anhörte (mehr dazu hier: Plique). Selbst erfolgreiche Modebloggerin, die dem wahnsinnigen Konsum und Überfluss der Fast Fashion überdrüssig war, referierte sie sehr emotional und ehrlich über ihre Erfahrungen. Die furchtbaren Zustände in den Ländern, die für uns tagtäglich aufs Neue eine Wegwerf-Mode kreieren, dafür sechs Tage die Woche 13-16-Stunden schuften, damit sie nicht verhungern - und wir für ein paar Euro den "neusten Trend" kaufen können. Sie sprach darüber, dass wir unsere Kleidung wieder mehr schätzen lernen sollten. Dass man sich wie früher eher auf die Basics fokussieren sollte und sich mehr mit der Pflege und dem perfekten Schnitt der Kleidung beschäftigen sollte als damit, wann man sich das 52. Oberteil kauft, dass dann doch womöglich nur ganz hinten im Kleiderschrank hängt. Und irgendwann da hat es bei mir Klick gemacht.

Ich habe meinen übervollen Kleiderschrank betrachtet und mir gedacht, eigentlich hab ich ja wirklich alles. Vieles, was man nicht so gerne anzieht vielleicht, aber eigentlich mangelt es doch an nichts. Die nächsten 3 Monate habe ich einfach radikal nichts mehr eingekauft, bin nicht mehr nach der Arbeit zum Shoppen gegangen und habe auch am Wochenende einfach andere Dinge gemacht. Schön, wieviel Zeit und Geld man so spart. :)


Und trotzdem ist Mode ein Teil von mir, den ich nicht komplett aufgeben möchte. Es ist eine Möglichkeit, seinen individuellen Stil zu zeigen, sich auszudrücken und sich dabei wohl zu fühlen. Aber mein Blickwinkel hat sich einfach komplett geändert. Mir ist jetzt bewusst, dass, wenn ich in irgendeinem wahllosen Shop einer willkürlichen Marke irgendein Kleidungsstück kaufe, ich mit 99%-iger Sicherheit passiv diese Ausbeutung der Textilindustrie unterstütze. Und eigentlich sogar aktiv, denn jede Kaufentscheidung ist ein Beitrag zur Nachfrage, die wiederum zum Angebot führt. So einfach ist es.

Daher habe ich mich weiter informiert, Dokus angeschaut und nachhaltige Blogger ausfindig gemacht. Und ich dachte mir, jetzt mach ich das einfach auch so. Jeder Einzelne zählt und jeder Kaufakt ist eine Entscheidung.

Manche schauen sich vielleicht die Preise von Fair Fashion Marken an und denken sich, das ist mir viel zu teuer. Das kann ich mir gar nicht leisten. Aber wenn das der Fall ist, sollte man sich vielleicht einfach gar nichts Neues kaufen. Denn der Preis, den wir für ein billiges Kleidungsstück zahlen, ist in Wahrheit ein viel viel höherer, als der, der auf dem Etikett steht. Es gibt so viele tolle Second Hand Läden, Apps wie Kleiderkreisel oder Ebay usw., durch die man getragener Kleidung ein neues Leben geben kann. Da ist für jeden Geldbeutel was dabei und ich finde den Gedanken super, dass man etwas Gebrauchtes wiederverwenden kann.
Mittlerweile gibt es aber auch schon viele nachhaltige Labels, die sich sehr für verbesserte Bedingungen einsetzen und trotzdem coole, vielleicht zeitlosere Mode produzieren. Solche, die nachhaltige Materialien wie z.B. Bio-Baumwolle (hier entlang wenn du wissen willst warum diese sinnvoll ist) einsetzen, die bessere Arbeitsbedingungen und Löhne für die Näherinnen und Arbeiter gewährleisten. Denn letzten Endes ist es ja nicht die Lösung, die Arbeitsplätze in Bangladesch und Co. abzuschaffen, sondern die Bedingungen zu verbessern. Eine nachhaltigere Produktionskette zu schaffen, die einen ethisch korrekten Umgang mit Mode ermöglicht. Und ein Bewusstsein dafür, was unser Konsum eigentlich für einen Einfluss hat - im positiven, wie auch im negativen Sinne.

Die Tatsache, dass du auf meinem Blog gelandet bist, finde ich schon mal super. :-) Wenn du bis hierhin sogar gelesen hast, umso besser! Ich möchte nicht verurteilen, sondern inspirieren. Zum Nachdenken anregen, dich vielleicht auch mal mit Fair Fashion zu beschäftigen oder einfach im nächsten Kaufrausch mal darüber nachzudenken "Brauche ich das wirklich? Und wo wurde dieses Teil wohl unter welchen Umständen produziert?". Einfach mal zurück hängen und sacken lassen. Die meiste Zeit braucht man es nicht wirklich und hat es am nächsten Tag schon vergessen. Zack, schon hast du ein bisschen was verändert.

Ich freue mich, wenn ich dich ein Stück mitnehmen kann bei meinem persönlichen Kleiderschrankwandel! In diesem Sinne, vielen Dank fürs Lesen und eine schöne Woche! 

Alles Liebe,
Corinna  

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